Peter Habeler: Eine Seilschaft für das Dach der Welt

8.05.2013

8. Mai 1978 – 13:15h:

Mount Everest ohne Sauerstoff-Zusatz bestiegen!

Es ist keine Freundschaft im klassischen Sinne, die Peter Habeler mit Reinhold Messner verbindet, obwohl sie schon in jungen Jahren so manche heikle Tour oder Expedition gemeinsam durchgestanden haben. Beide sagen, sie ergänzten sich durch ihre Unterschiedlichkeit hervorragend und könnten sich absolut aufeinander verlassen – ohne dabei viele Worte zu verlieren. Beinahe telepathisch sei das. Dennoch: Jeder Extrem-Bergsteiger ist ein Einzelgänger.

Wenn man ihm für seine Leistung Respekt zollt, winkt er verlegen ab: Peter Habeler ist Keiner, der viel Wirbel um seine Person macht. Das tat er auch nicht nach seiner sensationellen Besteigung des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff zusammen mit Reinhold Messner.

Der Reinhold war einfach gut. Ein ‘Wadlbeißer’, einer, der von Neuem nicht nur geredet, sondern es auch durchgezogen hat. Morgen machen wir’s, nicht übermorgen! Rauf auf die Achttausender wollten sie, haben dafür geübt am Matterhorn oder an der tückischen Eiger Nordwand. Für mich waren die schwersten Wände immer das Salz in der Suppe! Sie bezwangen den Hidden Peak im Karakorum, den Nanga Parbat, den Kangchendzönga – allesamt über 8.000 Meter hoch.

Wir waren schnell, haben die Einfachheit geliebt: Einfach leben, einfach sein …Das war der Grund, aus dem wir letzten Endes den Mount Everest geschafft haben. Das ist ja kein Achttausender, sondern fast ein Neuntausender. Aber mit dem Messner war das machbar! Wir hatten Biss. Wir wussten, dass die Bergsteiger, die mit Sauerstoff gehen, ca. 12 Kilo auf dem Buckel schleppen. Wir konnten uns auf den Berg konzentrieren und waren die einzige Expedition in der Vormonsun-Zeit. Wir waren super vorbereitet, wussten um die Qualität des Partners. Probieren wir’s! Wir wollten schaffen, wovon viele Menschen gesagt haben: Das ist unmöglich!

Todesangst und Euphorie

Basislager V: Um 6 Uhr sind wir raus, der Reinhold hat noch was gekocht, ich bin als Erster weg, er etwas später. Langsam gehen, immer wieder schauen, was der Partner macht, das Wetter war nicht gut. Die letzten Meter kroch ich auf Ellbogen und Knien weiter und betete ununterbrochen – inbrünstig wie nie zuvor in meinem Leben.

Die letzten Meter zum Gipfel: Peter Habeler auf dem Mount Everest

Die letzten Meter zum Gipfel: Peter Habeler auf dem Mount Everest

8. Mai 1978 – 13:15h: Für ein paar Minuten standen sie gemeinsam auf dem Wind umpeitschten Gipfel des höchsten Berges der Welt auf 8.850 Metern, waren nach gnadenlosen psychischen und physischen Strapazen bis auf die Knochen ausgezehrt, durch viele Tief- und Rückschläge auf der Strecke am Ende ihrer Kräfte – und haben geweint vor Glück und Erschöpfung. Halluzinationen plagten sie in der dünnen Luft, die in dieser Höhe nur noch 32 Prozent Sauerstoff enthält. Die kleinste Bewegung kostet übermenschliche Überwindung und wird zur Höchstleistung. Sauerstoffmangel bewirkt lähmende Müdigkeit, schaltet Konzentrationsfähigkeit und logisches Denken fast aus, tötet sogar Hirnzellen ab. Instinkt übernimmt. Übelste Konsequenzen hatte man ihnen im Vorfeld prophezeit: Sie würden entweder vorher scheitern, jammervoll im Ewigen Eis krepieren oder bestenfalls den Rest ihres Lebens als bedauernswerte Idioten fristen. ‘Ihr kemmt’s ned auffi, und wenn’s auffi kemmt’s, dann kemmt’s deppert zruck!’ (Trocken): Wir sind nicht intelligenter, aber auch nicht blöder von dieser Expedition zurückgekehrt. Ich war der Fotograf, der Reinhold der Filmer. Du musst ein Gipfelfoto aufnehmen, sonst glauben dir die Leute nicht, dass du oben gewesen bist! Für eines wurde an einem Eispickel ein kleiner mitgebrachter Wimpel gehisst: der von Mayrhofen im Zillertal, Peters Heimatort.

Der Everest wurde nicht bezwungen, er hat mich lediglich geduldet

Manchmal duldet er auch nicht! Aber die Zwei haben es geschafft: Mit Zähigkeit und Ausdauer und hartem Training, das alleine ohne starken Willen und tief sitzenden Ehrgeiz schon nicht zu absolvieren gewesen wäre. Da ist einem Duo ebenbürtiger Protagonisten eine mörderische Expedition gelungen. Der eine hat seinen Erfolg nur leise ausgekostet und damals als Resümee der Besteigung ein einfaches kleines Buch veröffentlicht (Peter Habeler: ‘Der einsame Sieg’) – ohne donnernden Paukenschlag.

Man braucht nicht gläubig zu sein, um das Gefühl zu haben, von einem Schutzengel begleitet zu werden. Ich bilde mir ein, dass immer jemand da ist, der mir hilft. Peter Habeler ist von allen Expeditionen unversehrt zurückgekehrt.

Im Zillertal sagt man „Du“

Es war ein weiter Weg von der ersten großen Besteigung, dem Frenet-Pfeiler am Mont Blanc, vor fast einem halben Jahrhundert. Prof. Peter Habeler ist mit heute 71 Jahren (2013) immer noch aktiv. Er hält Vorträge untermalt mit eindrucksvollen Bildern und dramatischer Musik, gibt (Motivations-)Seminare und führt exklusive Gruppen in die Berge. Häufig sind die Teilnehmer hochrangige Persönlichkeiten – die sind am unkompliziertesten.

Peter Habeler im heimischen Zillertal

Peter Habeler im heimischen Zillertal.

Ich bin immer gerne aus dem Zillertal raus, aber auch immer wieder gerne nach Hause gekommen. Wir haben hier viel zu bieten. Und jeder, der zu uns kommt, wird über kurz oder lang belohnt.
www.habeler.com

Fotos: ©Peter Habeler (expedition), ©Christina Feyerke (Peter Habeler, above)

Erstmals veröffentlicht 2011. Aktualisiert 2013.